Juni 2022
LBG

Antrag Fachbezeichnung «Kunst»

Der Antrag zur Änderung der Fachbezeichnung von «Bildnerischem Gestalten» zu «Kunst» wurde Anfang Juni 2022 vom LBG-Vorstand an relevante Entscheidungsträger*innen sowie einen breiten, mit-involvierten Adressat*innenkreis gesendet. Die wichtigsten Infos zu Antrag, Prozess und Argumenten finden sich in diesem Aktuell-Beitrag.

Der Antrag ist einsehbar unter: Antrag zur Änderung der gymnasialen Fachbezeichnung von «Bildnerisches Gestalten» zu «Kunst»

Zum bisherigen und laufenden Prozess

Im Verlauf der letzten Jahre wurde im Rahmen unterschiedlicher Anlässe und Arbeitsgruppen intensiv über die Möglichkeiten und Präferenzen diskutiert, wie das Fach «Bildnerischem Gestalten» zukünftig heissen soll. Es herrscht weitestgehender Konsens darüber, dass die Bezeichnung «Bildnerisches Gestalten» die Leistungen und den Gegenstand des Fachs nicht genügend abbildet.

In einer Abstimmung, die an der LBG-Nationalversammlung im März 2022 angekündigt und im Anschluss von den Mitgliedern des LBG wahrgenommen wurde, sprach sich eine Mehrheit für die neue Fachbezeichnung «Kunst» aus. Ausgehend davon entwickelte der LBG-Vorstand das nun eingereichte Antragsschreiben. Der Antrag wird zudem unterstützt vom Vorstand VSG-BG, der Kerngruppe BG des HSGYM, von der SGL-Arbeits­gruppe «Kunst und Bild» (Schwei­ze­rische Gesell­schaft für Lehre­rinnen- und Lehrer­bildung) und von den Autorinnen des neuen Fachrah­men­lehrplans im Zuge der Weiterentwicklung der Gymnasialen Maturität (WEGM).

Ausführliche Informationen (Links zu Dokumenten, Erläuterungen zu Hintergründen des Prozesses) finden sich unter dem Themenfeld Fachbezeichnung.

Warum «Kunst» als neue Fachbezeichnung?

Im Folgenden werden die zentralen Argumente des Antrags aufgeführt.

  • «Kunst» ist offen für vielfältige kulturelle Ausdrucksformen

    Die Fachbezeichnung «Kunst» wird in einem umfassenden Sinne verstanden und schliesst sich wandelnde Verständnisse mit ein. Bildende Kunst, Design, Architektur, wissenschaftliche wie angewandte Arbeitsweisen sind in dieser Fachbezeichnung integriert. Ein zeitgenössischer Kunstbegriff bedingt eine Offenheit für vielfältige kulturelle Ausdrucksformen.

  • «Kunst» begegnet zeitgenössichen Herausforderungen

    «Kunst» als Referenzdisziplin verweist in angemessener Form auf zeitgenössische Herausforderungen (Umgang mit Komplexität, Differenzialität, Uneindeutigkeit, (gesellschafts-)kritisches Potenzial etc.) und adressiert damit u.a. auch die im MAR/MAV als Bildungsziel und Anspruch formulierte «vertiefte Gesellschaftsreife».

  • «Kunst» ist umfassender als z.B. «Gestaltung»

    Mit «Kunst» wird eine umfassendere Ebene angesprochen als z.B. mit «Gestaltung» (vgl. «Gestaltung» ist historisch stark formal geprägt und wird vor allem im Zusammenhang mit «Angewandter Kunst» verwendet). Laut Diskussion der Fachbezeichnung im Jahre 1995 war der begriffliche Bezug zum ETH-Departement Architektur mitunter ausschlaggebend und kann auch exemplarisch für die nun aktuell angestrebte Änderung herangezogen werden: Der einstige «Lehrstuhl für Bildnerisches Gestalten» (Prof. Peter Jenny) heisst seit 2007 «Professur für Architektur und Kunst» (Prof. Karin Sander).

  • «Kunst» schliesst «Design» ausdrücklich mit ein

    Ein umfassendes Verständnis des Begriffs «Kunst» schliesst «Design» ausdrücklich mit ein: Designprozesse sowie künstlerische Prozesse entfalten Kräfte der Innovation und Transformation. Sie vollziehen sich in zunehmend komplexer werdenden Zusammenhängen, oft in interdisziplinärer Zusammenarbeit verschiedenster Fachdisziplinen sowie im Kontext ästhetischer, technologischer und gesellschaftlicher Fragestellungen.

  • «Kunst» als verständlicher Begriff

    Die Substantivierung der Fachbezeichnung wird sowohl produktiven als auch reflexiven Inhalten des Faches gerecht – beispielsweise der Verbindung von Handlung und Reflexion, der Orientierung an konkreten Phänomenen und gesellschaftlichen Fragestellungen. Der Begriff «Kunst» bringt gegenüber Doppelbegriffen mehr Klarheit.

  • «Kunst» als anschlussfähiger Begriff

    Die Fachbezeichnung «Kunst» garantiert internationale Anschlussfähigkeit («Kunst» oder «Bildende Kunst» in Deutschland, «arts visuels» und «arti visive» als französische bzw. italienische Fachbezeichnungen im bisherigen und künftigen gymnasialen EDK-Rahmenlehrplan). Zugleich werden auch die Bezugsfelder und Bezugswissenschaften mit «Kunst» mit Blick auf «Hochschulen der Künste» oder «Kunstgeschichte» an Universitäten etc. unmissverständlich angesprochen.

Die folgenden Ausführungen begegnen Rückfragen und Klärungsbedarfen, die sich im bisherigen und weiteren Prozess zeigen.

  • Musik, Kunst und Theater als «künstlerische Fächer» oder «Künste»

    Musik, Theater und Kunst bilden künftig zusammen den Bildungsbereich der «künstlerischen Fächer» oder der «Künste» an den Gymnasien. Der ehemalige Bildungsbereich der sog. «musischen Fächer» gleicht sich so begrifflich auch einer zeitgemässen Terminologie an. Auch mit Blick auf die «Hochschulen der Künste» ist die Bezeichnung des Bildungsbereichs mit dem Begriff «Künste» anschlussfähig. «Künstlerisch» akzentuiert eine Modalität, einen Arbeitsmodus sowie damit verknüpfte künstlerische Wissensformen, welche in den «künstlerischen Fächern» von zentraler Bedeutung sind.

    Der Begriff «Kunst» im Singular zeigt seit jeher eine besondere Nähe zur bildenden Kunst, indem z.B. ein «Kunstmuseum», die Fakultät «Kunstgeschichte» an Universitäten oder die «Kunstwissenschaften» eindeutige Verbindungen zu unserem Fachbereich aufweisen. 

  • Musik-, Kunst- und Theaterpädagogik

    Die drei Schulfächer Musik, Kunst und Theater entsprechen analog den Begriffen, die in der Lehrer*innenbildung (und in den zugehörigen wissenschaftlichen Diskursen) in diesen drei Fächern verwendet werden: Musikpädagogik, Kunstpädagogik und Theaterpädagogik. Mit einer solchen Entsprechung wird u.a. auch eine Kontinuität zwischen Begriffsverwendungen am Gymnasium und in der terziären Bildung ermöglicht.

  • Warum nicht mehr «bildnerisches Gestalten»?

    Die Fachbezeichnung «Bildnerisches Gestalten» hat in den 90er Jahren die Fachbezeichnung «Zeichnen» abgelöst. Bereits in den Diskussionen der 90er Jahre wurde um die Begrifflichkeit gerungen. «Bildnerisches Gestalten» hat sich eher in der Ablehnung der Alternativen durchgesetzt. Bis heute bleibt der Begriff «Bildnerisches Gestalten» in der Umgangssprache erklärungsbedürftig. Darüber hinaus gibt es Anlass, den Begriff aus heutiger, (fach-)historischer Sicht kritisch zu betrachten, wie dies beispielsweise im Artikel von Anna Schürch (2022) "Was heisst eigentlich genau 'Bildnerisches Gestalten'? Von der Historisierung der Fachbezeichnung zur impliziten Programmatik des Faches" deutlich wird. Weitere Infos zum Thema können im Aktuell-Beitrag von Januar 2021 sowie in den verlinkten Quellen/Dokumenten nachgelesen werden (siehe auch Themenfeld Fachbezeichnung).

    Mit der Lancierung der Revision von MAR/ MAV und Rahmen­lehrplan ergibt sich die Chance, die Fachbezeichnung «Bildnerisches Gestalten» neu zu diskutieren. Der Zentral­vorstand LBG, der Vorstand VSG-BG, die Kerngruppe BG des HSGYM, die SGL-Arbeits­gruppe «Kunst und Bild» sowie die Fachgruppe BG, die den neuen Fachrahmen­lehrplan erstellt, haben vorgeschlagen, das bisherige eidge­nös­sische Promotions- und Maturafach «Bildne­risches Gestalten» zeitnah bzw. spätestens mit der Einführung des neuen MAR/ MAV umzubenennen. Denn: Die im Rahmen der Revision entste­henden Regelungen und inhalt­lichen Setzungen werden für die nächsten Jahre bzw. Jahrzehnte Gültigkeit haben.

  • Warum nicht «visuelle» oder «bildende» Kunst?

    Das «Visuelle» hat einen ganz wichtigen Stellenwert in unserem Fach. Fachinhalte und -prozesse gehen gleichzeitig aber weit über das Visuelle hinaus und umfassen viele weitere konzeptionelle und ästhetische Dimensionen wie z.B. das Audiovisuelle, das Taktile, Körperlichkeit und Bewegung im Raum. Das ausschliessliche Primat des Visuellen greift zu eng.

    «Bildende Kunst» ist als Begriff zu einschränkend, weil wir u.a. auch Aspekte aus den Bereichen Design und Architektur abdecken.